6 Tage, 12 Stationen - meine Sommertour hat mich durch ganz Deutschland geführt. Das Motto der Reise: "Unterwegs für den Tierschutz". Wen ich getroffen habe, über was wir gesprochen und diskutiert haben - hier die Zusammenfassung.
Tag 1 - Qualzuchten
Während (zurecht) viel Aufmerksamkeit auf den Haltungsbedingungen von Tieren liegt, wird ein weiteres massives Problem oft übersehen: Tiere bzw. Tierrassen werden aufgrund ökonomischer oder ästhetischer Interessen in einer Art gezüchtet, die körperliche Defekte und Krankheiten begünstig. Umgangssprachlich spricht man hierbei von Qualzucht.
Nutztiere leiden beispielsweise unter einer Reihe von Krankheiten, die durch die gezüchtete Leistungssteigerung begünstigt werden. Diese Zucht, die sich lediglich an der Produktivität der Tiere orientiert, verursacht bei den Tieren ein leid- und schmerzvolles Leben. Darüber konnten wir mit Prof. Dr. Holger Martens sprechen, den wir auf dem Ökohof Kuhhurst treffen durften. Er forscht seit Jahren zu den Gesundheitsproblemen der auf Leistung gezüchteten Milchkühe und berichtete uns von den vielen körperlichen Defekten, die eine Zucht auf maximale Milchleistung nach sich zieht.
Was vielen Menschen nicht bekannt ist: Auch bei Heimtieren sind Qualzuchten weit verbreitet. Um den Bedürfnissen der Käufer*innen – meist sind das äußere Merkmale – gerecht zu werden, werden Hunde- und Katzenrassen gezüchtet, die teils kaum mehr in der Lage sind, richtig zu laufen oder sich schwer mit dem Atmen tun. Ein bekanntes Beispiel dafür: Die französische Bulldogge.
Im Tierheim des Hamburger Tierschutzvereins konnten wir mit Dr. Urte Inkmann über diese Problematik sprechen. Sie appelliert an die Gesetzgebung, gewisse Merkmale, die auf Qualzucht hinweisen, zu verbieten und Tiere die aus Qualzuchten stammen, konsequent kastrieren zu lassen. Doch auch die Halter*innen nimmt sie in die Pflicht. Ihr Tipp für nachhaltige Freude mit und für das Tier:
„Suchen Sie sich ein Tier nach seinen Charaktereigenschaften aus. Nicht nach der Optik.”
Tag 2 - Landwirtschaftliche Tierhaltung
Schwer beeindruckt hat uns der Besuch auf dem Hutewaldhof in Riskau. Die Betreiber*innen Kathrin und Holger arbeiten und leben hier eng mit ihren Schweinen zusammen. Verglichen zur konventionellen Haltungsformen leben die Tier unter beinahe paradiesischen Bedingungen. Auf großen Flächen mit natürlicher Fütterung können sie ihre verschiedenen Bedürfnisse ausleben und man merkt: die Schweine fühlen sich wohl.
Klar muss aber sein: Das ist eine absolute Ausnahme und ist nicht repräsentativ für die Schweinehaltung in Deutschland – auch nicht in Bio-Betrieben.
Letztendlich gilt aber auch ich den besten Haltungsformen am Ende eines kurzen Lebens: das Tier wird geschlachtet.
Anders ist das im „Land der Tiere“. An diesem Lebensort für gerettete Tiere dürfen Schweine, Puten, Ziegen, Schafe, Hähnchen & co. in Ruhe leben und sterben. Sie müssen keinem Nutzen dienen, leben selbstbestimmt und frei. Für mich und mein Team war der Besuch auf dem großen Areal eine bewegende Erfahrung. Hier dürfen Tiere einfach sein!
Tag 3 - Vegane Ernährung
Die Gespräche und Eindrücke des vorherigen Tages hallen nach. Einmal mehr hat sich für mich bestätigt: Unser derzeitiges Konsumniveau von tierischen Produkten lässt sich nicht mit dem Anspruch an möglichst gute Haltungsformen und dem Ziel auch künftig die Menschheit zu ernähren, verbinden. Daraus lässt sich schließen: Wir müssen als Gesellschaft weniger tierische Produkte konsumieren.
Ein wichtiger Pfeiler jetzt und in Zukunft: Vegane Alternativprodukte. In Cuxhaven durften wir einen Blick in die Produktion von Dr. Mannah's wagen. Hier werden vegane Käsealternativen aus Cashewkernen und Blumenkohl hergestellt; und zwar bereits seit zehn Jahren. Der Markt für vegane Produkte ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Einen Grund dafür zeigt der frisch veröffentlichte Ernährungsreport des BMEL auf: 71 % der Käufer*innen geben an, vegane oder vegetarische Produkte aus Tierschutzgründen zu kaufen.
Etwas weiter an der Nordseeküste dann in Bremerhaven: Besuch bei Kaessler Nutrition. Hier wird an sog. „Clean Fish“ geforscht, also Fischfleisch, welches aus Zellen gezüchtet wird. Für diesen in vitro-Fisch werden Stammzellen unter Laborbedingungen zu Muskelgewebe und später zu Fischfleisch entwickelt. Derzeit ist die Produktion noch sehr teuer und aufwendig, die Technologie hat aber als Alternative zur industriellen Fischerei großes Potential.
Tag 4 - Tierversuche
Alle 11 Sekunden stirbt in Deutschland ein Tier in einem Versuchslabor. Zu Forschungszwecken werden Tiere mit Krankheiten infiziert, vergiftet und massivem Stress und Leid ausgesetzt. Dabei sind die Ergebnisse häufig nicht verlässlich, da zwischen Tier und Mensch fundamentale Unterschiede bestehen und Ergebnisse nur schwer zu übertragen sind. Leuchtet ein: ein Mensch ist eben keine Maus.
Doch es gibt eine Möglichkeit um das gigantische Leid, welches durch Tierversuche verursacht wird zu schmälern und letztendlich zu beenden: Testmethoden die gänzliche ohne Tiere auskommen. Weltweit wird dazu geforscht und zwei Vorreiter in der Entwicklung solcher Methoden habe ich besucht:
Prof. Ellen Fritsche vom Leibniz Institut für Umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf entwickelt gemeinsam mit ihrem Team Tests, die die Giftigkeit von Substanzen auf sich entwickelnde Gehirne untersuchen. Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind und sich als zuverlässig erweisen, ist die Zulassung auf europäischer Ebene bis jetzt sehr schwierig. Prof. Fritsches Wunsch: Mehr Austausch zwischen Wissenschaft und den regulierenden Behörden.
Von ähnliche regulativen Problemen erfahren wir bei BASF in Ludwigshafen. Dr. Robert Landsiedel spricht von den zähen Jahren zwischen wissenschaftlichen Finalisierung einer Methode und ihrer behördlichen Freigabe scherzhaft vom „Tal des Todes“. Auch bei BASF wird intensiv an verschiedenen Alternativmethoden geforscht. Bei einem Rundgang durch die Labore haben wir einiges über die bio-chemischen Hintergründe des Feldes erfahren – und natürlich durch einige Mikroskope schauen dürfen.
Tag 5 - Haltung von Haus- und Heimtieren
Klar, Haus- und Heimtieren dürfte es im Schnitt besser gehen, als den sogenannten Nutztieren in der Landwirtschaft. Doch viele Tiere leben unter Bedingungen, die ganz und gar nicht ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen – und leiden darunter. Die Ursache des Problems: Tiere sind extrem einfach zu erwerben – Kaninchen, Hamster & Co. können im Baumarkt nebenan gekauft werden – und die Halter*innen haben oft kein Wissen über deren Bedürfnisse – und müssen dies auch nicht nachweisen.
Die Lösung: Ein verpflichtender, tierartspezifischer Sachkenntnisnachweis für die Haltung von Haustieren. Konkret würde das bedeuten, dass man vor dem Erwerb oder der Übernahme eines Tiere nachweisen muss, dass man sich mit der Haltung und Pflege befasst hat, sich also mit den individuellen Bedürfnissen der Tierart auskennt.
Darüber und über vieles mehr durfte ich mit PETA in Stuttgart sprechen. In der Auffangstation für Reptilien in München konnten wir dann live erleben, was passiert, wenn sich Menschen ohne vorheriges Wissen exotische Tiere anschaffen: Sie sind überfordert mit der Haltung und Pflege, die Tiere tragen Schäden davon und leiden – und am Ende werden die Tiere einfach ausgesetzt und landen dann in der Station von Dr. Markus Baur. Auch er wünscht sich einen Sachkenntnisnachweis für die Haltung von Schlangen, Schildkröten und Co. Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen und werde in den kommenden Jahren politisch dafür streiten.
Tag 6 - Illegaler Welpenhandel
Illegaler Welpenhandel ist ein grausames Geschäft. Hunde werden aus reiner Profitgier unter fürchterlichen Bedingungen vermehrt. Sowohl für die Elterntiere als natürlich auch für die Welpen ist die viel zu frühe Trennung extrem leidvoll. Während die Mutterhündinnen als Gebärmaschinen missbraucht und in der Regel direkt nach dem Wurf mit Hormonen wieder deckfähig gemacht werden, tragen die Welpen häufig schwere Verhaltensstörungen davon.
Für Käufer*innen ist es meist nicht ersichtlich, aus welch prekären Verhältnissen die angebotenen Tiere stammen. Durch gefälschte Dokumente und unauffälliges Auftreten sind die kriminellen Netze hinter den Verkäufer*innen oft kaum zu erkennen. Hier möchte die Ampel-Koalition ansetzen und den illegalen Handel erschweren, indem eine verpflichtende Identitätsprüfung für den Onlinehandel eingeführt wird.
Im Tierheim Passbrunn spürt man die direkten Auswirkungen des illegalen Welpenhandels über und nach Deutschland. Immer wieder muss die Leiterin des Tierheims und Präsidentin des Tierschutzbundes in Bayern, Ilona Wojahn, ausrücken, wenn die Polizei einen illegalen Welpentransport hochgenommen hat. Dann heißt es: teils Hunderte Tiere auf die umliegenden Tierheime verteilen. Nicht selten weisen die Tiere Qualzucht-Merkmale auf, berichtet Luca Secker, Expertin beim Tierschutzbund.
Mit einem kurzen Besuch bei der legendären SOKO Tierschutz in München ging unsere Sommertour zu Ende. Ich möchte mich bei meinem Team für die Vorbereitung und Begleitung und natürlich bei allen Stationen unserer Reise ganz herzlich bedanken. Ich habe in diesen sechs Tagen sehr viel lernen dürfen und nehme davon viel für meine politische Arbeit mit. Wer die Inhalte der vergangenen Tage verfolgt hat, dürfte sich der Meinung anschließen:
Es gibt so wahnsinnig viel zu tun!