Am 06.11.2025 habe ich im Deutschen Bundestag eine Rede zu unserem Antrag mit dem Titel „Frei benennen, klar erkennen – Bezeichnungsverbote für Fleischalternativen verhindern“ gehalten.
Nachfolgend die Rede im Wortlaut und als Video zum Nachschauen.
Dr. Zoe Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles hat ein Ende, nur die Wurst-Debatte hier hat ganz sicher keins. Wir würden uns ja alle wünschen, dass dieser Wahnsinn um die Bezeichnung von vegetarischen und veganen Produkten ein Ende hätte. Aber ich muss Sie enttäuschen: Es wird tatsächlich noch schlimmer; denn die Konservativen im EU-Parlament möchten den Produkten jetzt nicht nur ihre Form aberkennen, sondern auch noch ihren Geschmack.
Wir alle kennen ja mittlerweile die Liste mit den Bezeichnungen wie Wurst oder Burger, die künftig nicht mehr möglich sein sollen. Das ist im EU-Parlament schon durch. Aber was jetzt dazukommt, sind die Geschmacksbezeichnungen. Man möchte, dass auf den Produkten künftig nicht mal mehr draufstehen kann: „Like Chicken“ – wie Huhn –, vielleicht auch: „Schmeckt wie Hühnchen“, damit die Verwirrung wirklich komplett ist. Wem soll das denn helfen? Auch hier ist das Argument der Verbraucherschutz. Aber überlegen wir uns doch mal, wie es wäre, wenn wir das auf andere Produktklassen übertragen würden! Beispielsweise das Kirschkaugummi: Keiner hier glaubt ernsthaft, dass das Kirschkaugummi jemals eine Kirsche gesehen hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man dürfte dann ja auch nicht mal draufschreiben: „Schmeckt wie Kirsche“. Das wäre ja nicht mehr Verbraucherschutz, sondern eher, glaube ich, ein soziales Experiment. (Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Immer dieser Kulturkampf!) Wir würden dann sehen, was Menschen eigentlich kaufen, wenn sie keine Ahnung haben, wonach ein Produkt schmecken soll. Genau das ist ja das Ziel bei veganen und vegetarischen Produkten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man muss ja sagen: Die Tierindustrie kann ihr Glück wahrscheinlich gar nicht fassen, dass es ernsthaft Politikerinnen und Politiker gibt, die sich nicht zu schade sind, so eine Argumentation auszusprechen und zusätzliche Rechtsunsicherheit zu schaffen. Die ganze Absurdität dieser Debatte wird deutlich, wenn man sich einen aktuellen Gerichtsfall anschaut. Tatsächlich ist es so, dass der Spirituosenverband wegen eines Produkts vor Gericht gezogen ist, das „Likör ohne Ei“ heißt, mit der Begründung: Verbrauchertäuschung. Man könne das verwechseln mit dem „Likör mit Ei“. – Hä? Also wirklich! So weit um die Ecke denken kann doch niemand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei Nudeln ohne Gluten kommt doch auch keiner auf die Idee, zu sagen: Oh, da ist doch bestimmt Gluten drin. Das kaufe ich mal besser nicht bei meiner Allergie. – Also ganz ehrlich: Liebe Regierung, liebe Union, bitte rufen Sie bei Ursula von der Leyen an, und sagen Sie ihr, die EU solle sich doch bitte um richtige Probleme kümmern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, wann ist die Wurst eine Wurst? Das ist eine der großen philosophischen Fragen unserer Zeit, an der sich auch zeigt, wie gespalten CDU und CSU sind zwischen Kulturkampf und Ideologie und dem Wunsch nach gesundem Menschenverstand. Während noch vor Kurzem unser Bundeskanzler sinnierte: „Eine Wurst ist eine Wurst, und eine Wurst ist nicht vegan“, stimmten einige seiner Kolleginnen und Kollegen im EU-Parlament für neue Bezeichnungsverbote und manche dagegen, und aus dem Landwirtschaftsministerium war lange gar nichts zu hören. Ich verstehe das; denn man möchte sich nicht die Blöße geben, an dieser Debatte teilzunehmen. Aber gleichzeitig will man ja auch nicht die Kollegen der CSU verärgern. Denn tatsächlich ist es so, dass Schnitzelfürst Markus Söder in Bayern immer noch zum Widerstand aufruft; er kann es ja nicht lassen, den Kreuzzug gegen alle Menschen weiterzuführen, die sich vegane oder vegetarische Produkte kaufen wollen. Erst in dieser Woche hat die CSU im Bundesrat, unterstützt durch die NRW-CDU, einen Antrag gestellt, die EU-Verbotsliste noch auszuweiten. Das kann sich wirklich niemand mehr ausdenken: Ausweiten! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Minister hat sich jetzt bekannt. Er hat gesagt, neue Bezeichnungsverbote brauche keiner, und das ist auch richtig so. Aber jetzt brauchen wir den nächsten Schritt: Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Sie müssen sich wirklich bei der EU dafür einsetzen, dass dieser Wahnsinn gestoppt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken) Der Landwirtschaftsminister in Deutschland hat so einen Einfluss, er hat so viel Macht. Das Wichtigste ist, dass er auch an Sitzungen der EU-Gremien teilnimmt. Wir wissen – denn dazu haben wir mal eine Anfrage gestellt –: Beim Agrarrat war das nicht immer der Fall; da hat er leider über die Hälfte der Sitzungen geschwänzt. Aber wir sind frohen Mutes und haben die Hoffnung, dass das künftig besser wird. Bitte beenden Sie den Kulturkampf an der Kühltheke! Setzen Sie sich ein für die deutsche Wirtschaft, für wirklichen Verbraucherschutz und für den Einzelhandel, der auch dafür ist. Vizepräsident Bodo Ramelow: Frau Kollegin. Dr. Zoe Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)