Liebe Bäuer*innen, die Ampel ist nicht euer Problem!
Wer es nicht am eigenen Leib erfahren hat – etwa nicht rechtzeitig zur Arbeit oder in die Schule gekommen ist – dürfte wenigstens davon gehört haben: Im ganzen Land streiken diese Woche Landwirt*innen*️⃣, legen nicht nur ihre Arbeit nieder, sondern teilweise auch Verkehrswege lahm.
Zunächst ist es natürlich ihr gutes Recht zu streiken und zu demonstrieren. Über die richtige Wahl der Mittel kann und haben wir als Gesellschaft in den vergangenen Jahren ja bereits umfassend diskutiert. Darum soll es hier nicht gehen.
Ich meine aber: Die Bauernproteste haben sich mit der Ampel-Koalition den falschen Adressat ihrer Wut ausgesucht. Ja, die Landwirtschaft ist in der Krise. Schuld daran ist aber nicht etwa die (nun bereits entschärfte) Abschaffung einer einzelnen Subventionen, sondern ein krankes System, innerhalb dessen Landwirt*innen seit Jahrzehnten wirtschaften müssen.
Seit den 50er Jahren wurde von Seiten der Politik – unterstützt von den Bauernverbänden (!) – ein Wachstumsdogma verfolgt, das die Landwirtschaft zu rasant steigender Produktivität nötigte. Nach dem Motto: „Wachse oder Weiche” haben seit 1960 80 % der Betriebe schließen müssen. Für die Landwirt*innen geht es in einem derart auf Gewinn und Effizienz getrimmten System also um jeden Cent. Es bleibt kaum finanzieller und mentaler Spielraum, um auf sich, die Umwelt, die landwirtschaftlich genutzten Tiere zu achten. Der Druck ist immens!
Erschwerend hinzu kommt, dass die Preismacht nicht etwa bei den Landwirt*innen, sondern im Einzelhandel liegt. Während die Lebensmittelpreise in den letzten Jahren ordentlich angezogen haben, stagnieren oder sinken die Erzeugerpreise gar. Doch auch die Verbraucher*innen müssen in die Verantwortung genommen werden: Die Bereitschaft Geld für gute Lebensmittel auszugeben, ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering.
Ein System, in dem Verbraucher*innen Fleisch aus tierfeindlichen Bedingungen für Ramschpreise kaufen können, die Einzelhändler*innen Milliardengewinne einfahren, während Landwirt*innen häufig nur mit Steuergeldern über Wasser gehalten werden können, IST KRANK. In der Verantwortung dies zu ändern ist selbstverständlich die Politik. Die Ampel hat die #Agrarwende angestoßen, mit dem Umbau der Tierhaltung, mit der Förderung pflanzlicher Landwirtschaft und vielen weiteren Handlungsfeldern. Doch dieser Wandel braucht Zeit, Geduld und die Zusammenarbeit aller Akteur*innen.
Liebe Bäuer*innen, lasst uns also sprechen. Darüber, wie eine Landwirtschaft der Zukunft gelingen kann, die das Wohl aller mitdenkt: der Landwirt*innen, der Verbraucher*innen, des Klimas, der Umwelt und der Tiere.
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*️⃣ Leider werden die Proteste vielerorts von Rechten, Verschwörungstheoretiker*innen & Feind*innen unseres Rechtsstaats vereinnahmt.